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Montag, 27. Oktober 2014

525. Post. Der "wilde Feuerstein, den die Bauern Stahlfresser nennen..."

In einer Ortsbeschreibung von Blaubeuren und Umgebung des Pfarrers Jeremias Höslin von 1798 heißt es:

"...achatartige, bunte Feuersteine werden auf hiesigen Feldern gesammelt, die nachher zu Flinten- und Pistolensteinen geschliffen werden. Unreiner Achat wird aller Orten angetroffen, den die Bauern wilden Feuerstein und Stahlfresser nennen...."

"...(Hornsteine)...werden von den Bauern Stahlfresser genannt, weil sie durch ihre Härte gemeiniglich etwas von dem (Anmerkung:Feuer)-Stahl abreissen..."Jeremias Höslin 1798

Feuerstahl /(Replik Frank Trommer)  und Hornstein ( Fundort: Wirtschaft zur Germania, Sonderbuch, Beim Umbau unter dem Stallgebäude gefunden) 
Da tauchen verschiedene Begriffe auf, die einer Erklärung bedürfen. 

Unter den "achatartigen Feuersteinen" ist sicherlich der hier in primären Residuallagerstätten aus gepflügte und in sekundären Lagerstätten (Borgerhau) anstehende Hornstein gemeint, der schon in der Steinzeit hier Verwendung fand. Sie erscheinen bunt, durch ihre Entstehung als Sedimentgestein, durch Bänderungen verschiedenartiger Ablagerungen auf dem Meeresgrund und Einschlüsse bei der Sedimentation. Irgendwann im Verlaufe der Bronzezeit verlor der Werkstoff seine Bedeutung mehr und mehr als Rohstoff zur Werkzeugherstellung, nicht aber durch seine Eigenschaft bzw. Eignung zum Feuerschlagen, und wie Höslin beschreibt wohl auch durch seine Verwendung in Steinschlossgewehren.  Höslin beschreibt die markanten Rohstoffe noch an anderer Stelle, als "Geschiebe vom Kieselgeschlechte wie: Feuersteine, Hornsteine, Achatsteine, die sich überall auf den Feldern der Alp zerstreut (finden), namentlich zu Seißen, Asch, und Sunderbuch..."
Neben den im großen Stil eingehandelten Feuersteinen zum Feuerschlagen und Flintensteinen für die Steinschlossgewehre wurden die weniger "schusshaltigen" vor Ort wohl kaum in den Gebrauch für militärische Zwecke geflossen, also verkauft und verhandelt worden sein. Zum Feuerschlagen mit dem Feuerstahl dürften sie aber sicherlich aus gereicht haben, waren kostenlos frei und in großem Maße auf den Feldern verfügbar und so manches ausgepflügte Artefakt dürfte hier unerkannt schon in frühen Zeiten ein unrühmliches Ende als "Feuerstein zum Funkenlösen" oder als Flintenstein gefunden haben, da Höslin die Gewinnung  des Materials mittels Absammlung von den Feldern beschreibt. 

Was nun die Annahme betrifft, hier seien die "Achate" zu Pistolensteinen geschliffen worden, dürfte sich der Chronist wohl irren. Vielleicht hat Höslin die speckig glänzenden, im feuchten Zustand und bei härteren, dichteren Materialien sogar spiegelnden Flächen fälschlicherweise als "Schliff" interpretiert. Für einen zivilen Einsatz können die sicher minderwertigeren, quasi wohlfeilen Flintensteine im Gegensatz der im großen Stil verhandelten französischen Steine  durchaus aus gereicht haben. Auch im zivilen Einsatz wurden Flinten gebraucht, z.B. waren schon dem Namen nach der Waldschütz und der Feldschütz, mit Schusswaffen aus gerüstet, die über die Ordnung in den Fluren wachten, Ebenso waren sie für Jagdwaffen notwendig. Entsprechende Verdachtsstücke sind aus Oberflächenfunden bislang nicht erkannt worden. Der Hinweis ist auf jeden Fall ein interessantes, historisches Dokument lokaler Hornsteinnutzung bis in die Neuzeit hinein. 
Der Feuerstahl ( oft auch Feuereisen) zum Feuer/Funken-schlagen hielt sich ebenfalls sehr lange und verschwand erst mit dem Aufkommen des Schwefel- oder Zündhölzchens. Der Feuerstahl nutzte sich beim Gebrauch an dem harten Kieselgestein ab, der wohl zu dem landläufigen Namen Stahlfresser führte. Das wiederum spannt einen Bogen bis in die heutige Zeit:
Während einer Begehungspause unterhielt ich mich mit einem Landwirt, dem das begangene Feld gehört über den Hornstein und er war überrascht, welche Härte das Material doch hat und kam zu dem Schluss, dass es wohl den herumliegenden Hornsteinen geschuldet sein muss, dass sich die Messer seiner Kreiselegge so schnell abnutzen, ja einkürzen und er nicht unerfreut darüber sei, wenn diese "Stahlfresser" von den Oberflächen ab gelesen werden weil sie jedwedes Eisen- und Stahlgerät auf die Dauer verstumpfen.


Oben: Neolithische Kratzer aus Hornstein ( "wilder Feuerstein") und Flintensteine französischer Provenienz (Meusnes)
Links beginnend: Kratzer, Flintenstein, Kratzer, Flintenstein, Kratzer, Flintenstein. Noch ist kein eindeutiges Belegstück eines Sonderbucher Flintensteins bekannt. Was auf den Feldern aufgesammelt und dazu verarbeitet wurde, ging irgendwann wohl auch wieder verloren. Vielleicht versteckt sich so ein Stein irgendwo zwischen den Hunderten von Kratzern von Sonderbucher Äckern...
Höslin beschreibt die Gewinnung von Hornstein zur Verarbeitung zu Flintensteinen in der Ortsbeschreibung von Sonderbuch. Wer die Verhältnisse, im Besonderen die Fundfrequenz und die großflächigen, wenn auch oft nur sporadischen Vorkommen  hier auf der Blaubeurer und Ulmer Alb kennt kann sich gut vorstellen, dass dies auch für andere Alborte hier gelten wird und insbesondere in Zeiten geringer Erwerbsmöglichkeiten Bedeutung gehabt haben mag.

4 Kommentare:

  1. Sehr interessant, danke. Auch wenn ich eine Zweitnutzung als Feuerstein gar nicht unrühmlich finde!

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  2. Sie haben wohl so ziemlich recht. Eine subjektive und dazu unwissenschaftliche Sicht der Dinge. Schön wäre es den Chronisten bestätigen und so eine Umnutzung bzw. spezielle Biographie eines Artefaktes belegen zu können. Kleine, hohe Kratzer kommen dem Idealzustand des Flintensteines ohne weitere Modifikation nämlich schon sehr nahe.

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  3. Ich habe dem Post noch Kratzer und Flintensteine zum Vergleich angehängt.

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    1. Verblüffend! Die Klappsteine sind nur ein wenig schlichter gemacht, etwa alle über bloss einen Grat gelöst.
      Der kleine Kratzer (2. vr) ist sehr gelungen.

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