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Samstag, 2. Januar 2016

587. Post...Neues Jahr, Neues aus neolithisch dominierter Pingennähe...

 

"Anachronistisches" von einer Fundfläche in unmittelbarer Nähe der Pingen vom Borgerhau aus einem neolithisch dominierten Kontext.

 

Ein "Uniface" zum Jahresbeginn und in diesem Zusammenhang etwas über grundsätzliche Probleme ein Artefakt zu beurteilen. Neolithische Inventare erfahren in der Regel weniger Aufmerksamkeit und Forschungsintensität, auch weil sich diese Zeit nicht ausschließlich aus den Steingeräten erschließt. Feutchtbodenerhaltungen bieten hier oft ungeahnte Überraschungen. Der Fokus der Urgeschichtlichen Forschung liegt zweifellos auf den Artefakten früherer Zeitstellungen. Das macht Abgrenzungen schwierig. Bei deckungsgleicher Morphologie bleibt oft nur der Eindruck des gesamten Habitus, eventuell eine patinierte Oberfläche, als Unterscheidungskriterium übrig. Für geschlossene Höhleninventare stellt das kein großes Problem dar, wobei es bei Oberflächeninventaren schon scheitern kann, ältere Zeitstellungen überhaupt zu finden und wenn zu erkennen und von jüngeren Artefakten zu unterscheiden. Beschädigungen und Einflüsse im Pflughorizont müssen für alle Artefakte dort gelten und können kaum ein Unterscheidungskriterium darstellen. Vergleiche mit Höhleninventaren müssen als Reverenzmaterial herangezogen werden. Dem gemeinen Sammler ist dies jedoch nur anhand von Abbildungen möglich.

 

Etwas wie aus der Zeit gefallen, wirkt ein Werkzeug, bei dem mir während des Versuchs es morphologisch an zu sprechen auffiel, dass sich mit meinen Worten eigentlich auch die Definition von mittelpaläolithischen Winkel- bzw. Spitzschabern erfüllt.

Dies zeigt, wie wichtig es ist, möglichst genaue Ansprachen zu wählen und auf Details zu achten, aber auch, wie sehr die Erfahrung im Umgang mit Steinwerkzeugen eine Rolle spielt, wenn es um kulturelle und zeitliche Zuweisungen gehen soll.  

Versuch einer Ansprache:

Dorsal: zeigt das Artefakt im Bild hier links und oben Funktionskanten, die   in einem leicht spitzen Winkel aufeinander zustoßen.

mehr breit als lang:

Dorsalseite eines Abschlages. Auf der Dorsalseite ein
vorangegengener Steckengebliebener Abschlag, der die
Seite mit dem langen Schlagflächenrest markiert. Der Schlagpunkt liegt rechts.
 Unterhalb dieses "Steckenbleibers" zeigt das Artefakt nach...

...Ventral:

hier links, unterhalb des ausgeprägten Bulbus, sowie auf
dem Bulbus selbst Ausdünnung, also flächige Retuschen
um den Querschnitt des Objektes zu verringern. Dies ist
vielleicht erklärbar durch den Glanz auf allen erhabenen
Stellen von Ventralseite und Dorsalseite, den ich als Politur
interpretiere, wie sie durch Reibung entsteht, wenn ein
Artefakt geschäftet war. Die rechte Seite im Bild zeigt
die Ventralseite auf  deren rechter Kante , sowie auf der oberen
Kante die Retuschen nach dorsal gehen und die beiden
Funktionskanten (Schneiden) tragen.
Die Kante gegenüber des langen, für eine Funktion retuschierten
 Distalendes der Grundform (oben)
zeigt wenige Retuschen zur Reduzierung des Querschnitts.
auf dem langen Proximalende (unten)
 Stimmt meine Schäftungstheorie erfolgte dies, um die Kante
diesbezüglich zu optimieren, -war nicht geschäftet und die Politur
hat andere Gründe, könnte hier der Versuch dokumentiert sein,
eine weitere (dritte) Funktionskante zu schaffen. Unten
 im Bild liegt der lange Schlagflächenrest.
distal, vom Schlagpunkt ausgehend wäre auch eine Bezeichnung
als Endretusche möglich.

rechtslateral

Distal

Laterale und Distalende enden in einer Spitze und was spricht eigentlich gegen einen Bohrer?

 

Ein Stück aus alter Zeit oder nur aus der Zeit gefallen?  Vor allem die meist völlig unzureichenden und wenigen morphologischen Auswertungen (- von wenigen Siedlungsgrabungen, so beispielsweise von Kind im Falle von Ulm-Eggingen  ausgenommen -) von neolithischen Inventaren führt dazu, dass Abgrenzungen zu paläolithischen Erscheinungen so schwierig sind. Das mag ein Grund sein, warum sicherlich viele letztlich nicht eindeutige Stücke von Oberflächenabsammlungen nicht in Arbeiten erscheinen und so wird es vielleicht auch diesem Stück ergehen. Selten sind Stücke dieser Art in Inventarlisten mit näheren Bestimmungen ausgestattet und gehen als "grobe Uniface" in der Fundmasse unter.Gebrauchsspurenanalysen an neolithischen Geräten sind bislang selten durchgeführt worden. Leider stehen Unsereinem, dem Sammler und Heimathirsch  nur "Hausmittel" zur Verfügung und ich könte mir aber gut vorstellen, dass ein Teil dieser derben Geräte zur Holzbearbeitung Einsatz gefunden haben könnte, zumal Felsgesteingeräte hier zu den seltenen Artefaktkategorien zählen und Beile und Dechsel aus Feuerstein gar nicht vorkommen.

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