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Sonntag, 19. Juni 2016

610. Post. maisZEIT ZEITigt eisZEIT?

Neues vom Bödemle bei Sonderbuch 

Kein typisches Siedlungsinventar, sondern eher eine Mischung aus Einzelartefakten, die in kein geschlossenes Schema passen, zeigen sich nach wie vor auf der Flur Bödemle an einer Stelle, bei der man mal an Neolithikum, mal an Mesolithikum, aber auch an Paläolithikum denken muss.

Vor allem die paläolithischen Funde streuen vielleicht deshalb um Sonderbuch immer in neolithischen Zusammenhängen, weil die Hinterlassenschaften der Jungsteinzeit  domninieren und diese Ansammlungen auch die größte Aufmerksamkeit der Sammler auf sich ziehen. 

Begehungen in noch freien Maisäckern ziehen deshalb zur Zeit die Blicke auf sich, da es die einzigen noch verbleibenden Äcker sind, die aufgrund der noch kleinen Maispflanzen eine freie Sicht auf sehr gut abgeregnete Böden bieten und auch einmal den Blick auf Flurstücke lenken, die bislang keine Funde gezeigt haben. 

Narürlich kommt dieser Fokus aufgrund der optimalen Oberflächenverhältnisse auch den mir bisher bekannten Fundstellen zugute, insbesondere natürlich der neu erkannten Fundstelle am Rande des Blaubeurer Talkessels und unweit der Rohmateriallagerstätte "Blauberg".

Heute neu: Artefakt 1

Dorsalseite des stark patinierten Artefakts. Die zerrüttete, patinierte Oberfläche lässt auf den ersten Blick auf eine sehr grobe Textur des Rohmaterials schließen,,..

...ebenso die Ventralfläche des Artefaktes aus Abschlaggrundform

Eine rezente Beschädigung zeigt jedoch ein sehr dichtes Material, ein Silex von guter Qualität und als Material nicht besonders häufig um Sonderbuch gefunden.

Die linke Laterale zeigt  eine Modifikation auf der ganzen Länge.
Die hier angelegten Retuschen sind sehr steil und von Gebrauch überprägt und zeigen im Gegensatz zu der ventralen, rezenten Beschädigung etwas weniger Glanz.

Zum Distalende hin endet die intentionelle Retusche und das Distalende selbst zeigt lediglich eine leichte Zerrüttung, die durch den Gebrauch entstanden sein sollte. Demnach müssen wir von einer Lateralretusche, wenn nicht von einem Schaber sprechen.

Artefakt 2
Dorsalseite mit abgerollter Kortex und vorangegangenen Abschlagsnegativen eines seriellen Abbaus Selten sieht man derart ausgeprägte Wallnerlinien an einem brauchbaren Stück.
Vermutlich wurde der Kern im Vorfeld getempert

Ventral zeigt das Artefakt wenige Ausbrüche die durch den Gébrauch entstanden sind. Proximalende unten

mit übersteilter Retusche ist die rechte Laterale ausgestattet, während die ebenfalls dorsale Retusche links nur im Distalbereich - vielleicht formgebend am Ende eine stumpfe Spitze bildet. Das Artefakt als Kratzer an zu sprechen finde ich  schwierig, eher wirkt es schon vie eine "Spitze" und ist ein gutes Beispiel dafür, wie sehr die Übergänge manchmal fließen und Ansprachen vom Bearbeiter abhängen können.
Auch einen passenden Kern gibt es an dieser Stelle zu diesem widerspenstigen,
getemperten Material

Artefakt 3 und 4
Flächig bifaziell bearbeitete Spitzen


 Möglicherweise flächenretuschierte PROJEKTILE, eventuell des Mesolithikums, eine davon Halbfabrikat mit abgebrochener Spitze, die zweite oben dorsal, unten ventral, blattförmige Spitze mit runder Basis, dem Glanz nach zu urteilen aus hitzebehandeltem Hornstein. Allein die Größe ist unpassend, da sie meist 2 bis 3,5 cm lang sind und das neu gefundene Artefkt in Vergesellschaftung von getemperten Kernen und Kerntrümmern ganze 4 cm. Außerdem ist für mesolithische Projektile die Flächenretusche nicht vollständig auf beiden Seiten aus geführt, meist beschränkt sie sich auf der Ventralseite auf eine Basisretusche, wogegen diese Spitze vollständig flächig überarbeitet ist.








Gegen eine Einordnung in das Jungneolithikums sprechen Temperung
und Patina

nähere Analysen wären wünschenswert...Noch ist die Anzahl der in diesem Bereich gefundenen Artefakte überschaubar und es ist ja noch keinesfalls klar, ob hier Siedlungstätigkeit vorliegt. Vieleicht stehen die Artefakte  im Zusammenhang mit der nur wenige Hundert Meter entfernten Rohmateriallagerstätte. ( auch diese ist in ihrer Art noch nicht sicher kategorisiert. Da aber wohl bei kleineren Untersuchungen keine Pingen/ Gruben identifiziert werden konnten, unterscheidet sie sich wohl von den Pingen des Borgerhau, die eine Sekundärlagerstätte sein muss.  Hier am Blauberg liegen die Knollen wohl noch in unmittelbarem Zusammenhang/Kontext mit dem Muttergestein, in dem sie eingeschlossen waren, also auswitterten und Oberflächen nah aufgenommen wurden. Dort befindet sich eine ausgedehnte Trümmerstätte.) In der Peripherie einer Lagerstätte sind sicherlich viele, teils nur temporär aufgesuchte Aktivitätszonen denkbar, die im Zusammenhang mit der Rohmaterialgewinnung stehen, allem voran Schlagplätze und da das Vorkommen an Hornstein hier doch sehr reichhaltig ist und ursprünglich noch reichhaltiger gewesen sein muss war dieser Umstand wohl auch über lange Zeiträume bedeutsam. Ansammlungen unterschiedlichen Zeithorizonten angehörender Artefakte zeugen so vielleicht auch von Schlagplätzen, an denen sich die Menschen nur zur Versorgung aufgehalten haben und auch einzelne Verlustfunde der fertigen Werkzeuge sind denkbar. Dies müsste auch für die kleinsten Artefakte gelten, die der Mensch jemals hergestellt hat: Mikrolithen, die als diagnostisch bedeutsam für die Mittelsteinzeit gelten, da es sicherlich für einen geübten Steinschläger einfacher war einen neuen an zu fertigen, wenn ihm einer verloren ging. Sie müssten also irgendwann und irgendwo gefunden werden. Vielleicht lag die Stelle auch an einem Zugangsweg ins Tal, wie das heute noch der Fall ist.  Da getemperte Rohmaterialien vorliegen, wie sie vor allem für die Zeit des Frühmesolithikums typisch sind, ist wohl auch das Auffinden von Mikrolithen eine Frage der Zeit und der geeigneten Umstände, wie es sich auch für die Werkzeuge des Neanderthalers inzwischen bewahrheitete. Alles eine Frage der Zeit...auch die Beantwortung der Frage nach einer vielleicht  mächtigen Deckschicht, die die Befunde schützt und nur wenige Artefakte durch das Pflügen freigibt, weil sie der Pflug kaum erreicht. Starke Regenfälle dieser Tag und ein erstaunliches Bodenfließen an dieser Stelle zeigt, dass die Erosion von höher liegenden Äckern so eine schützende Deckschicht über die Jahrtausende gebildet haben könnte.
sekundäre Kernkantenklinge / Klingenkratzer

herzförmiger Abschlag mit marginalen Retuschen
Alles klar, Flintensteine..., französisch, bestimmt MEUSNES
aber nur einer ist vom Bödemle...

 Flintenstein? Nö...Pfeilspitze aus dem Neolithikum,
flächig, bifaziell retuschiert mit leicht konvexen Seiten und
einer leicht konkaven bis geraden Basis. Eventuell späte LBK
bis mittelneolithisch, wobei langgestreckte Formen auf der Blaubeurer
Alb eher in das Jungneolithikum gehören. Da aber liegen dann
deutlich konkave, sorgfältige, symmetrische Basiretuschierungen vor.
Das Rohmaterial spricht für weitreichende Beziehungen bei der
Versorgung und in Asch ist  z.B. zum Vergleich aus dem Jungneolithikum eine Spitze
aus dem französischen Romighny Lhery gefunden worden. Romigny Lhery liegt ca.
560 km, Meusnes ca.900 km Fahrstrecke entfernt. Der Falk- Routenplaner gibt
die Strecke zu Fuß mit 717,9 km an, was nach dessen Berechnungen eine ZEIT
von 6 Tagen und 4 Stunden 56 Minuten dauern soll -durchgehend ohne Pausen.


Transluzid- Oogonien, Einschlüsse sind bei Projektil und Flintenstein
identisch.. rechts:Silex blond de Berry , Berry flint aus Meusnes

Da sollte man in diesem Falle vielleicht einmal alle vermeintlichen Flintensteine
unter die Lupe nehmen, mit Ausnahme unten links, der in einem Bleistreifen steckt.

und das Bödemle zeigt auch Gekieltes...
Der Grat auf der Dorsalen scheint zerrüttet und
damit Funktion gehabt zu haben



Proximalende und Distalende zeigen hohe Kratzer, die wie ein Kern
ganz durchgeschlagen sind.


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